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Im Vergleich zum vorigen Mal 2017 hat es nicht ganz so lange gedauert bis der neue Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ausgehandelt war.
177 Seiten zur Zukunft des Landes wollten und sollten dennoch schließlich wohl überlegt sein.
Nachdem am 7. Dezember in einer nur 10-minütigen Prozession die Vorsitzenden der neuen (& alten) Regierungsparteien den Koalitionsvertrag unterschrieben hatten, fand bereits am nächsten Tag nach einigem hin und her zwischen Reichstag und Schloss Bellevue die Ernennung von Kanzler und Kabinett durch den Bundespräsidenten und jeweils anschließend die Vereidigung vor dem Bundestag statt. Dass es diesmal ein besonderer Regierungswechsel ist, liegt nicht nur an dem Erbe, welches das Kabinett-„Scholz“ nach 16 Jahren Angela Merkel antritt, sondern auch an der aktuellen weltpolitischen Lage. Pandemie, Klimakrise und Kriegsgefahr in Osteuropa stellen dabei in einer Zeit großer Transformationen nur die drängendsten Probleme dar. Und so wird die neue Bundesregierung wohl kaum einen Tag, statt der sonst häufig zitierten 100 Tage, Schonfrist haben.
Doch so hochgesteckt wie die Erwartungen, sind auch die bereits gesetzten Ziele der Koalition, die sich mutig bereits als „Klima“- und „Fortschrittsregierung“ ausgezeichnet hat. So soll das Konzept der „Sozialen Marktwirtschaft“ Ludwig Erhards um die ökologische Komponente erweitert werden und Deutschland Vorreiter der Energie- und auch Verkehrswende werden.
Bei einem näheren Blick auf den Bereich der Klima- und Energiepolitik bekennt sich die neue Bundesregierung, wenig überraschend, erneut zum 1,5-Grad Ziel von Paris und hält auch weiter konsequent am Atomausstieg fest. Weiterhin soll der Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 (statt bisher 2038) vorgezogen werden und Erdgas als Brückentechnologie zur Wasserstoffwirtschaft der Zukunft weiter forciert werden. Dabei soll der Schwerpunkt künftig auf der Nutzung „heimischen“, aus erneuerbaren Energien gewonnenen, Wasserstoffs liegen.
Im Verkehrssektor plant die „Ampel“ Deutschland zum Zugpferd der Elektromobilität mit mindestens 15 Mio. Elektroautos bis 2030 zu machen. Damit einhergehend soll auch die Ladesäuleninfrastruktur auf eine Anzahl von 1 Mio. öffentlicher Ladepunkte weiter ausgebaut werden.
Den auch, aber nicht zuletzt, für die beschleunigte Verkehrswende notwendigen Strom sollen im Jahr 2030 bereits zu 80% die Erneuerbaren Energien produzieren (50,5% in 2020, Quelle: statista.de), was einen, wie auch der Koalitionsvertrag anerkennt, „massiven Ausbau“ von Erzeugungsanlagen und Infrastruktur (zuvörderst der Netzinfrastruktur) voraussetzt. Konsequenterweise hat die neue Koalition ebenfalls den prognostizierten Stromverbrauch (680-780 TWh im Jahr 2030; bisher 655 TWh lt. BMWi), welcher Grundlage der staatlichen Netzausbauplanungen und Ausschreibungsmengen in der Ausbauförderung ist, deutlich angehoben.
Darüber hinaus hat sich die Koalition auch die (dringend benötigte) Reform des Strommarkts sowie der staatlich beeinflussten Strompreisbestandteile zum Ziel gesetzt, was für sich wohl bereits eines der Mammutprojekte der neuen Legislaturperiode werden dürfte. Perspektivisch soll dabei die EEG-Umlage wegfallen und der Ausbau der erneuerbaren Energien, der ohnehin nur noch bis zum endgültigen Kohleausstieg gefördert werden soll, über den Staatshaushalt finanziert werden. Der Refinanzierung sollen vor allem steigende Einnahmen aus dem Emissionshandel dienen. Überhaupt spielt die CO2-Bepreisung eine zentrale Rolle in der Klimapolitik, wobei starke Preisanstiege durch einen sozialen Ausgleichsmechanismus, evtl. im Sinne eines sog. „Klimageldes“, aufgefangen werden sollen, um Akzeptanz und soziale Sicherheit zu erhalten.
„Wir setzen auf eine sozial-ökologische Marktwirtschaft und auf konkrete Maßnahmen, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden und die Menschen mitnehmen.“ (Koalitionsvertrag, S. 55)
Wiederaufgenommen werden soll die in der letzten EEG-Novellierung gestrichene Feststellung, dass Erneuerbare Energien-Anlagen im öffentlichen Interesse stehen (§ 1 Abs. 5 EEG-2021E), was nur einen Schritt darstellen soll, die Erteilung einer artenschutzrechtlichen Ausnahme (§ 45 Abs. 7 BNatSchG) künftig rechtssicherer zu gestalten. Überhaupt soll der teilweise bestehende Widerspruch zwischen Arten- & Naturschutz durch technische Vermeidungsmaßnahmen und einen künftigen Fokus auf den Populations- statt Individuenschutz, soweit europarechtlich durchsetzbar, erfolgen.
Für die in besonderem Maße politisch umkämpfte Windenergie sollen in den kommenden Jahren 2% der Landesfläche ausgewiesen werden. Dieses Ziel soll in das BauGB aufgenommen werden, die Bund-Länder-Kommission gestärkt werden und das Ersetzen von alten durch neue Anlagen (sog. Repowering) deutlich erleichtert werden. Auch soll der Ausbau gleichfalls in weniger „windhöffigen“ Gebieten vorangetrieben werden, um Netzengpässe zu minimieren und überdies Konflikte mit der Luftfahrt durch bessere Abstimmungen mit Tiefflugkorridoren der Bundeswehr und militärisch sowie zivil genutzter Radartechnik minimiert werden. Bei Letzterem soll eine Reduzierung des Anlagenschutzbereichs auf das international übliche Maß von 10 km zu sog. „Drehfunkfeuern“ (Radaranlagen) dazu verhelfen, vielen in den Genehmigungsverfahren aufgrund der luftfahrtrechtlichen Aspekte steckengebliebenen Windenergieprojekten zur doch noch erfolgreichen Umsetzung zu verhelfen.
Um die Akzeptanz der dezentralen Anlagen zu verbessern, soll neben einer verbesserten finanziellen Beteiligung der Kommunen vor Ort, vor allem die Möglichkeit von Bürgerenergie-Projekten verbessert werden.
Mieter- & Quartiersstromkonzepte sollen künftig einfacher und wirksamer ermöglicht werden. Insbesondere sollen „alle geeigneten Dachflächen“ für die Solarenergie genutzt werden.
Auch wenn es vielfach an konkreten Maßnahmen noch mangelt, scheint die Koalition mit dieser Vielzahl an Themen und Zielsetzungen die Probleme für den Ausbau der Erneuerbaren Energien erkannt zu haben und den Willen aufzuweisen, diese anzugehen.
Problematisch hierbei erscheint jedoch, dass vielfach der Bund nur eingeschränkt zuständig ist und etwa im Bereich Artenschutz aber auch bei der haushaltsfinanzierten Ausbauförderung der Erneuerbaren Lösungen auf europäischer Ebene gefunden werden müssen.
Letztlich ist auch in Anbetracht der vielfältigen und absehbar teuren Projekte deren Finanzierung eine noch weitgehend ungeklärte Frage. So werden die Einnahmen aus dem Emissionshandel allein absehbar wohl eher nicht ausreichen.
Nichtsdestotrotz ist die Energiewende zu einem erfolgreichen, notwendigen Entgegentreten des menschengemachten Klimawandels unabdingbare Voraussetzung!
Das hat auch die neue Bundesregierung erkannt, indem sie ausführt:
„Wir machen es zu unserer gemeinsamen Mission, den Ausbau der Erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen.“ („Ampel“-Koalitionsvertrag, S. 56)
Liebe Bundesregierung, wir sind gespannt und freuen uns darauf, gemeinsam die notwendige Energiewende weiter erfolgreich (mit-) zu gestalten!
Philipp Döhmel, Rechtsanwalt
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