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Neues zum Artenschutz aus Brüssel?
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22. 04. 2021

Neues zum Artenschutz aus Brüssel?

Neues zum Artenschutz aus Brüssel?

Neues zum Artenschutz aus Brüssel?

Einführung ins Artenschutzrecht und Vorstellung des Urteils vom 4. März 2021 (Rs. C-473/19 und C-474/19)

Einführung ins Artenschutzrecht

Das deutsche Artenschutzrecht ist sehr stark europäisch geprägt, insbesondere durch die im Anhang aufgezählten und gefährdeten Arten der Flora-Fauna-Habi­tatrichtlinie (FFH-RL) und die für alle europäischen Vogelarten geltende Vogelschutz­richtlinie (V-RL). Diese werden aufgrund ihrer ähnlichen Ausgestaltung im deutschen (besonderen) Artenschutzrecht gemeinsam, d.h. ohne im Anwendungsbereich zu un­terscheiden, umgesetzt. Dabei stellt die Normierung der Verbotstatbestände in § 44 Bundesnatur­schutzgesetz (BNatSchG) die zentrale Norm dar. Hier werden unter an­derem die so­genannten Zugriffsverbote normiert, wie etwa das für die Windenergie besonders re­levante Verbot der Tötung geschützter Arten, aber auch das Verbot diese Arten zu Stören oder zu Fangen.

Zum Sachverhalt

Im Urteil vom 4. März 2021 zu den verbundenen Rechtssachen C-473/19 und C-474/19 hatte der EuGH über die Vorlage eines schwedischen Gerichts zu entscheiden. Hierbei ging es um die Klärung wesentlicher Grundsatzfragen zur Auslegung der in Schweden ebenfalls gemeinsam umgesetzten Verbotstatbestände der beiden Richt­li­nien, die für die Entscheidung des schwedischen Gerichts von Bedeutung sind. Das Gericht hatte nach der Klage einer Naturschutzorganisation über die Zulässigkeit der Abholzung eines Waldes zu entscheiden, von der auch geschützte Arten betroffen wä­ren.

Das Urteil

In seiner Entscheidung konzentrierte sich der EuGH dabei vor allem auf die FFH-RL und bekräftigt dabei deutlich, dass für die Tatbestände der Zugriffsverbote der Erhal­tungszustand der fraglichen Art keine Rolle spielt. Auch eine Einschränkung des Tat­bestandsmerkmals der absichtlichen Tötung oder Störung verneinte der BGH und be­stätigt damit seine bisherige Rechtsprechung.

Wie so oft ist hierbei von Interesse, was ungesagt blieb. So hat der EuGH we­gen der zulässigen Erstreckung der Verbotstatbestände der FFH-RL in Schweden auch auf Vögel, eine Äußerung über die FFH-RL hinaus auf die in dieser Hinsicht als weniger streng gesehene V-RL umgehen können. Von besonderer Brisanz stellt sich dies dar, da die Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen eine Differen­zierung zwischen den beiden Richtlinien vertritt. So sei im Rahmen der V-RL bei zu­mindest nicht zielge­richteter Verwirklichung der Zugriffsverbote, der Tatbestand dahin­gehend zu be­schränken, dass dieser nur dann verwirklicht sein soll, wenn dies not­wendig ist, um den Erhaltungszustand der zu schützen. Hierbei gelte es, den wirtschaft­lichen und frei­zeitbedingten Erfordernissen Rechnung zu tragen, um die unverhältnis­mäßige Ein­schränkungen menschlicher Aktivitäten zu vermeiden, vor allem, da die V-RL anders als die FFH-RL eben nicht nur gefährdete, sondern auch „Allerweltsar­ten“ schützt.

Folgen für das Artenschutzrecht?

Im Großen und Ganzen bestätigt das Urteil die bisherige deutsche Rechtslage und Praxis im Artenschutzrecht. Eine Ausnahme bildet dabei das in Deutschland nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG auch am Erhaltungszustand der Art ausgerichtete Störungs­verbot, das derart eingeschränkt künftig lediglich auf Vögel anwendbar ist.

Für die sog. Signifikanzschwelle, ab der erst das für die Windenergie wesentlich be­deutsamere Tötungsverbot verletzt ist, ergibt sich aus dem Urteil hingegen ebenso wenig eine Neuerung, wie für die Differenzierung nach der Windenergiesensibilität von Vögeln. Die Zurückhaltung des EuGH wirft vor allem in Bezug auf die V-RL neue Fra­gen auf, deren Klärung bislang nicht absehbar erscheint. Vorerst jedenfalls erscheint es aufgrund mangelnder Übertragbarkeit der sich stark am Wortlaut der FFH-RL ori­entierenden Argumentation gut vertretbar, die von Kokott vorgeschlagene Tatbe­standseingrenzung im Anwendungsbereich der V-RL in nationales Recht umzusetzen. Da nach der EuGH-Rechtsprechung eine lediglich europarechtskonforme Anwendung nationaler Regelungen zur FFH-RL nicht ausreicht (EuGH, U. v. 15. März 2012 – Rs. C-46/11), ist vor dem Hintergrund der Änderungen beim Störungsverbot ohnehin ge­setzgeberisches Tätigwerden geboten, sodass hier die Chance besteht, eine sinnvolle Erleichterung im Artenschutzrecht zugunsten Erneuerbarer Energien umzusetzen. Der Ball liegt damit einmal mehr im Feld des Gesetzgebers.

Gabi Ikert-Tharun, Rechtsanwältin
Robin Czudaj, Wissenschaftlicher Mitarbeiter

(Foto: Helmut Cremer)

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