Foto: thobar
Die geplante Novellierung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) sorgt jüngst für kontroverse Debatten: Auf der einen Seite stehen die Interessen der Industrie und Wirtschaft, auf der anderen die berechtigten Anliegen des Gesundheitsschutzes und der Lebensqualität der Bevölkerung. Während die geltenden Regelungen als veraltet und unzureichend angesehen werden, bedeutet die Anpassung an moderne wissenschaftliche Erkenntnisse einen sensiblen Balanceakt zwischen Fortschritt und Umweltschutz. Die Herausforderung liegt darin, einen tragfähigen Konsens zu finden, der sowohl Innovation fördert, als auch den Schutz vor Lärmbelastung gewährleistet. Was genau ändert sich und wie wirkt sich das auf die Praxis aus? Wir erklären, was die Neuerungen für die Zukunft der Windenergie bedeuten.
Die TA Lärm ist eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, die bei Beachtung der im BImSchG vorgegebenen Randbedingungen den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche verbindlich interpretiert. Sie bildet seit vielen Jahren die Grundlage für die Beurteilung und Begrenzung von Lärmimmissionen in Deutschland. Sie setzt Standards, die gewährleisten sollen, dass industrielle und gewerbliche Aktivitäten die Lärmbelastung für Anwohner auf ein zumutbares Maß beschränken. Unternehmen müssen sich an diese Vorgaben halten, um Konflikte mit der Nachbarschaft und rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der Referentenentwurf der TA Lärm bringt nun einige Änderungen mit sich, die sowohl für Unternehmen als auch für Anwohner von nicht unerheblicher Bedeutung sind.
Erstmals werden Immissionsrichtwerte für den Gebietstyp „Dörfliches Wohngebiet“ (MDW) unter der Nummer 6.1 eingeführt. Diese Kategorie wurde durch die Novelle der Baunutzungsverordnung (§ 5a BauNVO) in 2021 neu geschaffen. Dörfliche Wohngebiete sollen dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen und nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen. Die Nutzungsmischung muss hierbei nicht gleichgewichtig sein. Ziel dieser neuen Baugebietskategorie ist es, den stark wandelnden ländlichen Räumen eine attraktive Wohnalternative zu bieten und gleichzeitig ein einvernehmliches Nebeneinander verschiedener Nutzungen zu ermöglichen. Die Immissionsrichtwerte für dörfliche Wohngebiete wurden im Entwurf auf 57 dB(A) für den Tag und auf 42 dB(A) für die Nacht festgelegt.
Die zentrale Frage bei der Einführung der neuen Immissionsrichtwerte ist, ob diese auch für bestehende Windenergieanlagen (WEA) gelten. Die Antwort lautet: Ja! Die sogenannten dynamischen Betreiberpflichten umfassen auch Bestandsanlagen. Die Rechtsgrundlage für mögliche nachträgliche Anordnungen bildet § 17 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Allerdings bleibt die Regelung in Nr. 5.1 der TA Lärm unberührt, die festlegt, dass bei nachträglichen Anordnungen stets die Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Eine nachträgliche Anordnung darf nicht ergehen, wenn die Immissionsrichtwerte durch eine Erhöhung oder erstmalige Berücksichtigung der Vorbelastung überschritten werden, die Zusatzbelastung weniger als 3 dB(A) beträgt und die Immissionsrichtwerte um nicht mehr als 5 dB(A) überschritten sind. Ferner gilt die Regelung in Nr. 5.1 Abs. 3 TA Lärm nur für nachträgliche Anordnungen zur Durchsetzung von Schutzpflichten und nicht für Vorsorgepflichten. Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschrift muss beachtet werden, dass das BImSchG durch eine Verwaltungsvorschrift wie die TA Lärm nicht geändert, eingeschränkt oder ergänzt werden kann (sog. Vorrang des Gesetzes).
Die geplanten Regelungen haben Auswirkungen auf bestehende Windparks. Zum einen liegt fast jedes Windenergieprojekt in der Nähe eines „Dorfes“ und ist somit von den Vorgaben für den Bereich Dorfgebiet oder Dörfliches Wohngebiet betroffen. Zum anderen sind Betriebsbeschränkungen nicht ausgeschlossen. Der Entwurf befindet sich derzeit noch in der Abstimmung, und wir werden berichten, welche Änderungen letztlich beschlossen werden. Mit einem Erlass ist nach aktuellem Stand im November 2024 zu rechnen.