Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17.03.2021 (3 C 3.20) entschieden, dass auch nach der ersten Trunkenheitsfahrt ab 1,1 Promille die Anordnung zur Beibringung eines Medizinisch-Psychologischen Gutachtens (MPU) rechtens ist, sofern keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen vorliegen.
Zum Sachverhalt
Der Kläger wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr mit 1,3 Promille verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde entzogen. Da er weder bei der polizeilichen Kontrolle noch bei der ärztlichen Untersuchung Ausfallerscheinungen zeigte und sich über den Messwert überrascht zeigte, forderte die Fahrerlaubnisbehörde im Neuerteilungsverfahren ein positives MPU-Gutachten. Dadurch sollte geklärt werden , ob der Antragsteller trotz Hinweisen auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde.
In der Folge wurde das geforderte Gutachten nicht vorgelegt, weshalb die Führerscheinbehörde dem Betroffenen keine neue Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist aus dem Strafurteil erteilte. Letztinstanzlich bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsauffassung der Behörde.
Entscheidungsgründe
Die MPU-Anordnung war rechtens und die Fahrerlaubnisbehörde durfte aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Klägers schließen. Es liege der Verdacht auf Alkoholmissbrauch nahe. Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Bei Personen, die aufgrund ihres Trinkverhaltens eine hohe Alkoholgewöhnung haben, besteht eine erhöhte Rückfallgefahr. Da der Betroffene trotz des hohen Blutalkoholpegels keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufwies, ist dies als aussagekräftige Zusatztatsache zu werten, die Anlass dazu gibt, das MPU-Gutachten auch unterhalb der im Gesetz festgelegten Promillegrenze von 1,6 Promille anzufordern.
Auswirkungen für die Praxis
Da eine beweissichere Feststellung zu den fehlenden Ausfallerscheinungen gefordert ist, bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Behörden und Instanzgerichte an die relevanten Informationen stellen werden: Wie werden Angaben der Polizeibeamten, die ärztliche Einschätzung im Rahmen der Blutentnahme bewertet? Wie wirkt sich die verweigerte Mitwirkung an Tests aus? Reicht es, dass keine Ausfallerscheinungen realisiert wurden oder muss ermittelt werden, dass keine Ausfallerscheinungen vorlagen?
Wolfgang Tücks, Rechtsanwalt
(Foto: Helmut Cremer)
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