Der Netzengpass im neuen Licht!

Der Netzengpass im neuen Licht!

Bereits vor ein paar Wochen haben wir an dieser Stelle über das Urteil des BGH in Sachen Härtefallentschädigung beim EEG-Netzausbau berichtet. Nun liegt die Urteilsbegründung des 13. Senats des BGH vor.

Mit diesem Urteil führt der BGH seine Rechtsprechung des Urteils vom 11.05.2016, Az: VIII ZR 123/15, fort und klärt wesentliche, bisher offen Fragen zur Auslegung des im Gesetz nicht definierten Begriffs des Netzengpasses. Neben den rein juristischen Auslegungsmethoden setzt sich der BGH auch mit der technischen Sichtweise auseinander und kommt zu folgendem Ergebnis:

„Mit dem Begriff des Netzengpasses wird also allein ein bestimmter (Gefährdungs-)Zustand beschreiben, dass nämlich in den betroffenen Bereich des Stromnetzes mehr Strom eingespeist zu werden droht, als dieser in seinem aktuellen Belastungszustand aufnehmen oder transportieren kann … Daher ist für das „Ob“ eines Netzengpasses unerheblich, auf welcher Ursache diese Überlastung beruht …“

Auch „… für den Fall, dass die Kapazität des betroffenen Netzes oder Teilbereichs gegenüber dem Normalzustand reduziert ist, weil beispielsweise ein dazugehöriges Betriebsmittel infolge von Störungen oder der Durchführung von Reparatur-, Wartungs-, Instandhaltungs-, Netzausbau- oder sonstigen Maßnahmen nicht zur Verfügung steht …“ ist also ein Netzengpass grundsätzlich denkbar.

BGH Urteil vom 11.02.2020, Az: XIII ZR 27/19, Rn. 20

Eine Härtefallentschädigung kann daher von den Betreibern Erneuerbarer-Energien-Anlagen immer dann beansprucht werden, wenn eine Stromeinspeisung grundsätzlich, d.h. insbesondere physikalisch, möglich ist, jedoch die betreffende Erneuerbare-Energien-Anlage aus dem Grund ganz oder teilweise abgeregelt wird, um eine Verringerung der gesamten, eingespeisten Strommenge zu erreichen.

Diese Fälle waren in der Vergangenheit höchst umstritten. Netzbetreiber haben bisher mit dem Hinweis auf das früheres Urteil des BGH (vom 11.05.2016, Az: VIII ZR 123/15) die Entschädigung versagt. Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen haben hierdurch hohe Verluste in Kauf nehmen müssen.

Das Urteil des BGH ist ein großartiges Bekenntnis zur Fortführung der Energiewende. Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen haben so ein Stück mehr Planungs- und Investitionssicherheit, wodurch der weitere Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlagen wieder attraktiver wird.

Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau – Runde zwei ist eröffnet

Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau – Runde zwei ist eröffnet

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern im Nachgang zur mündlichen Verhandlung ein vielleicht richtungsweisendes Urteil (Az: XIII ZR 27/19) verkündet. Dieses lässt Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Analgen) auf eine Änderung der bisherigen Praxis einiger Netzbetreiber hoffen.

Der Hintergrund

Eigentlich steht EE-Anlagenbetreibern im Fall einer Abregelung ihrer EE-Anlagen bei Überlastung des Netzes eine Härtefallentschädigung nach § 15 Abs. 1 EEG 2017 zu. Diese haben sie aber bisher von Netzbetreibern bei Netzengpässen aufgrund des Netzausbaus meist nicht erhalten. Der Streit mag für Branchenfremde klein aussehen, hat aber weitreichende Folgen für EE-Anlagenbetreiber. Die Verluste, die einige von ihnen bisher erlitten haben, sind zu Recht als existenzbedrohend zu bezeichnen. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Gefahr für die Betreiber, es bremst auch die Energiewende unnötig.

Der aktuelle Streit

Der nun vom BGH zu entscheidende Streit konzentriert sich im Wesentlichen auf eine Frage: Wie ist der – im Gesetz nicht definierte – Begriff des Netzengpasses auszulegen, wenn das Netz durch Netzausbau in seiner Kapazität eingeschränkt ist? Die bisherige Auslegung der Netzanbieter zu Ungunsten der EE-Anlagenbetreiber wird nun nicht mehr haltbar sein. Denn gestern hob der BGH das Urteil des OLG Naumburg (Urteil v. 05.10. 2018 – Az. 7 U 25/18) auf. Dieses hatte im Sinne der Netzbetreiber entschieden. Die Sache wurde nun an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Begründung in der Branche dringend erwartet

Frau Rechtsanwältin Christiane Strohmer, die den Rechtsstreit in den ersten zwei Instanzen geführt hatte, war bei der gestrigen Verhandlung anwesend. „Auch wenn über die Rechtsfragen kontrovers diskutiert wurde, war schon in der mündlichen Sitzung die Tendenz des Senats erkennbar. Der BGH setzt mit seinem Urteil nun ein klares Signal“, sagt Strohmer.

Die Begründung zum Urteil des XIII. Zivilsenats des BGH wird die offene Frage, wann ein Netzengpass beim Zusammentreffen mit dem Netzausbau anzunehmen ist, beantworten. Wir und die gesamte Erneuerbare-Energien-Branche erwarten die Argumentation in den nächsten Wochen.

Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau

Härtefallentschädigung bei EEG-Netzausbau

Dürfen Betreiber Entschädigungen fordern, wenn sie ihre EEG-Anlagen abregeln müssen, damit das Netz für erneuerbare Energien ausgebaut werden kann? Diese Frage führte in der Vergangenheit immer wieder zu Streit. Die Betreiber von Erneuerbare-Energie-Anlagen hatten dabei stets das Nachsehen. Nun wird ein neues Urteil des BGH erwartet.

Härtefallentschädigungen: der Hintergrund

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (§ 15 EEG 2017) besagt, dass Betreiber von derartigen Anlagen im Härtefall für Verluste durch Abregelung entschädigt würden. Doch wann genau liegt ein Härtefall vor? In der Regel dann, wenn die Anlagen sehr viel Strom erzeugen und die Netzkapazität nicht ausreicht, um diesen aufzunehmen. Bei starkem Wind oder intensiver Sonneneinstrahlung kann es daher nötig sein, die Anlagen abzuregeln.

Sonderfall: Netzausbau für erneuerbarer Energien

Ein Urteil des BGH (11.05. 2016 – VIII ZR 123/15) besagt, dass Betreibern bei Wartungsarbeiten oder Reparaturen am Netz keine Entschädigung zustehe. Denn in solch einem Fall erfüllten sie mit dem Abregeln lediglich ihre Pflicht nach dem EnWG. Denn laut Energiewirtschaftsgesetz sind sie zur Wahrung der Versorgungssicherheit der öffentlichen Stromnetzte verpflichtet, Anlagen bei Bedarf abzuregeln. In solchen Fällen ist meist keine Entschädigung vorgesehen. Außerdem lasse sich das EEG hier nicht anwenden, da kein konkreter Netzengpass vorliege. Und wenn die Abschaltung geschieht, weil das Netz für die erneuerbaren Energien umgebaut werden muss? Dazu äußerte sich der BGH nicht.

Bisher kein Erfolg für Betreiber

Man kann an dieser Stelle argumentieren – und die Clearingstelle EEG-KWKG hat das getan (Votum v. 15.02. 2016) – der Ausbau der Netze im Zuge der erneuerbaren Energien diene ja gerade dem Zweck, Engpässe zu vermeiden und Defizite in der Struktur zu beheben. Deshalb seien Abregelungen für Planungen und Umsetzungen hier auch entschädigungspflichtig. Mit dieser Argumentation im Rücken klagten zwei Anlagenbetreiber vor den Oberlandesgerichten Naumburg und Brandenburg. Doch die Betreiber bekamen weder in Naumburg (Urteil v. 05.10. 2018 – Az. 7 U 25/18) noch in Brandenburg (Urteil v. 30.07. 2019 – Az. 6 U 28/18) Recht. Die Begründung stand ganz im Zeichen der vorigen Instanz: Es fehle in dieser Situation der konkrete Netzengpass.

Neues Urteil des BGH steht an

Die Fälle wurden zur Revision am Bundesgerichtshof zugelassen. Ein Urteil wird am 11.02. 2020 erwartet. „Die Entscheidung gilt in der Branche der erneuerbaren Energien als richtungsweisend. Denn Abregelungen verursachen für viele Betreiber ern+stzunehmende Kosten. Auf diesen bleiben viele Unternehmen ihrer Meinung nach zu Unrecht sitzen. Ob der BGH seine Haltung im Vergleich zu 2016 jedoch grundlegend ändern wird, bleibt abzuwarten“, sagt Rechtsanwältin Christiane Strohmer. Die Expertin wird für Lenga, Wähling und Partner bei der Urteilsverkündung anwesend sein.