Künftig eine E-Tankstelle an jeder Ecke? – Das neue SchnellLG im Überblick

Künftig eine E-Tankstelle an jeder Ecke? - Das neue SchnellLG im Überblick

Künftig eine E-Tankstelle an jeder Ecke? – Das neue SchnellLG im Überblick

Willkommen in der „Ära der Klimaschutzurteile“ hieß es kürzlich auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung (31.05.2021). So ist auch der deutsche Gesetzgeber nicht zuletzt infolge des wegweisenden Urteils des BVerfG (wir berichteten hier) mehr denn je gefordert, seinen Pflichten zum Klimaschutz nachzukommen. Vor allem der Sektor Verkehr liegt in Deutschland regelmäßig hinter den vorgegebenen Klimazielen. Und so stellt sich der Gesetzgeber mit der Feststellung, dass zu deren Erreichung die Elektrifizierung insbesondere des Straßenverkehrs unerlässlich ist, nun der Aufgabe, den bundesweit flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau von Ladeinfrastruktur für (reine) E-Autos sicherzustellen. Dafür wurde am 28.5. das Gesetz über die Bereitstellung flächendeckender Schnellladeinfrastruktur für reine Batterieelektrofahrzeuge, oder kurz: SchnellLG, vom Bundesrat bestätigt und kann nun verkündet werden. Hiermit soll die Attraktivität von E-Autos durch den Aufbau eines breit verfügbaren Ladenetzes noch einmal deutlich gesteigert werden, da die mangelnde Ladeinfrastruktur bislang eines der größten Probleme der E-Mobilität darstellt.

Gerade in der gegenwärtigen Anfangsphase sei dabei ein, im Vergleich zu den prognostizierten Fahrzeugzahlen, deutlich überdurchschnittlicher Ausbau nötig. Künftig soll also eine Vielzahl an Losen für Standorte oder Suchräume ausgeschrieben werden. Vorgesehen sind nach dem Gesetz mindestens 18 einander überschneidende regionale und bei Bedarf grundsätzlich auch bundesweite Lose. Um schwerpunktmäßig die Lang- und Mittelstreckentauglichkeit der E-Mobilität zu fördern, sollen dabei insbesondere auch geeignete Flächen an Bundesautobahnen bereitgestellt werden. Innerhalb der ausgeschriebenen Suchgebiete ist der potenzielle Bieter verpflichtet, selbstständig geeignete Standorte für die Bewerbung zu suchen, wobei ein Bewerber grundsätzlich auch auf mehrere Lose bieten kann.

Bis 2030 sollen laut dem Masterplan Ladeinfrastruktur der Bundesregierung insgesamt eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte entstehen, wobei die geplanten Ausschreibungen zunächst auf die Errichtung von 1000 Standorten begrenzt sind.  Trotz der Errichtung mehrerer Ladepunkte pro Standort und der Möglichkeit der Anhebung des Volumens, zeigt dies damit jedoch deutlich, dass mittel- bis langfristig der weitere Ausbau vor allem durch die Wirtschaft selbst gestemmt werden soll.

Die Federführung in der Umsetzung des Gesetzes übernimmt künftig das Bundesverkehrsministerium, indem es vor allem den Bedarf ermittelt, die Vergabeverfahren übernimmt und insbesondere auch die technischen Rahmenbedingungen festlegt. Dafür ist das Ministerium mit einer umfassenden, jedoch der Zustimmung des Bundestags bedürftigen, Verordnungsermächtigung zur näheren Gestaltung ausgestattet. Weiterhin ist das Ministerium verpflichtet, ab 2024 alle zwei Jahre einen Statusbericht inklusive Prognose, ab wann mit einer Markthochlaufphase zu rechnen ist, an den Verkehrsausschuss im Bundestag vorzulegen.

Aufgrund der bestimmenden Rolle die dem Bundesverkehrsministerium in dem neuen Gesetz zukommt, wird die Zielerreichung in Zukunft maßgeblich auch vom politischen Willen der Ministeriumsführung abhängen. Da jedoch nicht zuletzt der Verkehrssektor als Sorgenkind der nationalen Klimapolitik gilt, bleibt zu hoffen, dass das Thema der kommenden Bundesregierung auch tatsächlich ein Anliegen ist. Für die Elektrifizierung des Straßenverkehrs und die Erreichung der damit verbundenen Klimaziele ist aber die treibhausgasneutrale Elektrizitätsbereitstellung von grundlegender Bedeutung, weshalb der Ausbau der Erneuerbaren Energien weiterhin das Herz der deutschen Klimapolitik darstellt.

Ingo Eisenreich, Rechtsanwalt
(Foto: A.Krebs)

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BVerfG erklärt Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig – Ein Urteil mit Signalwirkung!

BVerfG erklärt Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig – Ein Urteil mit Signalwirkung!

BVerfG erklärt Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig – Ein Urteil mit Signalwirkung!

Einem Paukenschlag gleich gab das BVerfG am gestrigen Donnerstag, dem 29. April 2021, bekannt, dass Teile des Bundes- Klimaschutzgesetzes 2019 (KSG) verfassungswidrig sind [Link zur Entscheidung]. Damit wurde den diversen Verfassungsbeschwerden einer Vielzahl von insbesondere jungen Klägerinnen und Klägern teilweise stattgegeben. Geklagt hatten unter anderem Aktivistinnen und Aktivisten aus dem Umfeld der Fridays-for-future-Bewegung. Unterstützt wurde die Klage von der Deutschen Umwelthilfe, dem BUND, sowie Germanwatch und Greenpeace. Dabei wurden die Verfassungsbeschwerden von zwei (vorliegend unbekannten) Umweltverbänden hingegen bereits wegen Unzulässigkeit verworfen.

Von den Klägerinnen und Klägern wurden insbesondere einzelne Vorschriften aus dem KSG des Bundes gerügt (viele Länder, darunter Thüringen und Berlin haben ergänzend eigene KSG erlassen).

In diesem verpflichtet sich die Bundesrepublik u.a. zur Reduktion der Treibhausgasemissionen um 55% gegenüber 1990 und legt dazu sektorenspezifische Jahresemissionsmengen, sog. Reduktionspfade, fest (§ 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2). Vorausgegangen war dem KSG 2019 eine intensive Diskussion innerhalb der Koalition von SPD und Union. Der mit dem KSG 2019 gefundene Kompromiss wurde sodann auch von der Opposition heftig kritisiert. Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat wurde sodann zwischen Bund und Ländern zudem eine Erhöhung der Pendlerpauschale beschlossen und auch der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern neu geregelt.

Die getroffenen Festlegungen bilden nach Ansicht der Klägerinnen und Kläger jedoch keine ausreichenden Schutzmaßnahmen zur zeitnahen Reduktion der Treibhausgasemissionen zur notwendigen Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf wenigstens deutlich unter 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau.

In seiner sehr ausführlichen Entscheidung betont das Bundesverfassungsgericht nun immer wieder ausdrücklich den Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers im Rahmen der Klimapolitik, zeigt diesem aber auch deutliche Grenzen auf. Nachdem es feststellt, dass die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates auch die Gefahren des Klimawandels für künftige Generationen umfasst, befasst sich das Bundesverfassungsgericht intensiv mit der Bedeutung des Art. 20 a GG. Der darin enthaltenen sog. Staatszielbestimmung, die den Gesetzgeber dazu verpflichtet, „…in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung…“ zu schützen, kommt in dieser Entscheidung eine Schlüsselfunktion zu. So sei, betont das Bundesverfassungsgericht, Art. 20 a GG „eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll“. Diese Bindung habe jedoch stets in Abwägung mit anderen Belangen zu erfolgen, wobei allerdings aufgrund des fortschreitenden Klimawandels das Gewicht des Klimaschutzes kontinuierlich zunehme. Dem stehe bei Vorliegen entsprechend belastbarer Hinweise auch weder wissenschaftliche Ungewissheit in Bezug auf Ursachenzusammenhänge entgegen, noch könne sich der einzelne Nationalstaat unter Hinweis auf die Emissionen anderer Staaten aus der Verantwortung ziehen.

Weiterhin führt das Bundesverfassungsgericht aus, die Grundrechte schützten als „intertemporale Freiheitssicherung“ in Verbindung mit Art. 20 a GG die nachfolgenden Generationen vor einer Zukunft in „radikaler Enthaltsamkeit“. Noch prägnanter formuliert es: „Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten.“.

Darüber hinaus bemängelt das Bundesverfassungsgericht, die bisherige Regelung im KSG zur Festsetzung weitergehender Emissionsreduktionsmengen über 2030 hinaus. Diese sei auf dem vorgesehenen Verordnungsweg nicht hinreichend vom Gesetzgeber ausgestaltet worden, sodass § 4 Abs. 6 KSG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 80 Abs. 1 GG und Grundsatz des Gesetzesvorbehalts) genügt.

Unmittelbare Folge der Entscheidung ist vor allem die Pflicht des Gesetzgebers bis zum 31. Dezember 2022 die Emissionsminderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 fortzuschreiben und dabei eine faire, den dargestellten Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts angemessene, generationenübergreifende Lastenteilung vorzunehmen.

Soweit bisher erkennbar, wurde die Entscheidung von den Klägerinnen und Klägern trotz eines formal gesehen, nur teilweisen Erfolgs, weithin als großer „Meilenstein“ rezipiert, hat das Bundesverfassungsgericht doch erstmalig zugunsten einer sogenannten Klimaklage entschieden. Mittelbar dürfte damit der Weg für weitere Überprüfungen des eingeschlagenen klimapolitischen Weges durch die Gerichte eröffnet sein. Darüber hinaus verringert sich der gesetzgeberische Spielraum, gegenwärtiges Potenzial zur Minderung der Treibhausgasse unangetastet zu lassen. Die Entscheidung hat demzufolge große Signalwirkung auf die anstehende Bundestagswahl im September, verpflichtet sie doch alle politischen Parteien konsequente und nachhaltige Lösungen für den Klimaschutz zu finden.

Weiterhin mit Spannung erwartet werden darf, ob auch die Entscheidung der Bundesrepublik zum Kohleausstieg bis 2038 auf einen früheren Zeitraum korrigiert werden wird. Die besprochene Entscheidung liefert hierfür ebenfalls Argumente.

Für die Branche der Erneuerbaren Energien bedeutet dies zwar noch keine unmittelbaren Verbesserungen an einer der vielen (!) Baustellen für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren, aber der politische Druck, diesem für die Klimaneutralität neuralgischen Sektor „die Fesseln zu lösen“, steigt deutlich. So können aktuelle Projekte zum Ausbau der Windenergie- und Solarnutzung mit Hinblick auf die Beschleunigung des gebotenen, und vom Bundesverfassungsgericht betonten, Tempos zur Erreichung der Klimaziele nicht weiter verzögert und "auf die lange Bank geschoben" werden.

Philipp Döhmel, Rechtsanwalt
(Foto: Helmut Cremer)

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